Neugier und OffenheitStehenblieben

25. Februar 2004: Stehenbleiben

Heute war einer der schönsten Tage, die ich mit Moah erlebt habe. Als ich in den Stall kam ging ich wie immer als erstes zu ihr um sie zu begrüssen. Ich ging bis auf etwa 2m Distanz zu ihr und wartete. Hanni war schneller und wollte unbedingt ein paar Streicheleinheiten, die ich ihr auch gewährte. Dann wandte ich mich aber wieder Moah zu, die nun auch zu mir kam. Eifersucht macht schnell! Ich putzte sie dann und trenste sie auf. Das Leckerli nach dem Zäumen zeigte langsam seine Wirkung. Sie hielt den Kopf schön tief. Ich knotete ihr einen Strick um den Hals, nahm meine Dressurgerte und ging los. Der Sattel blieb im Stall.
Oben an der Strasse angekommen hielt ich an um aufzusteigen. Dazu musste Moah erstmal gerade und ruhig neben der Mauer stillstehen. Sie ging ständig rückwärts oder wich mit der Hinterhand aus. Ich stellte sie immer wieder richtig hin und nach mindestens fünf Minuten Hin-und-Her konnte ich endlich aufsteigen. Sogleich lief sie los. Ich wendete und stellte sie nochmal zurück auf ihren Platz. Erst als sie ruhig stand ritt ich los.
Ich wollte mit ihr an der Hand arbeiten um ihr zu zeigen, dass sie nicht soviel Gewicht auf das rechte Vorderbein zu nehmen braucht. Jemand hatte mir einen Tipp gegeben, wie ich das angehen solle. Am liebsten hätte ich auf der Wiese bei der Feuerstelle gearbeitet, aber da waren schon Leute und darum ging ich auf den Reitplatz. Ich hatte Glück. Der Boden war wenigstens für die Arbeit im Schritt brauchbar. Ich löste das Seil um Moahs Hals und hakte es am Backenstück des Zaums ein. Ein Kappzaum wäre besser gewesen, aber sowas habe ich nunmal nicht. Ich begann auf der linken Hand mit Moah zu arbeiten und wechselte nach einigen Minuten auf die rechte. Da ging es schon weniger gut, aber Moah hat gut mitgemacht und nach mehreren Handwechseln ging sie da auch besser.
Schliesslich fand ich, dass wir für den Tag genug daran gearbeitet hätten und führte sie an den Rand des Platzes, wo einige Pfähle auf Autoreifen liegen, so dass man bequem von da aus aufsteigen kann – wenn das Pferd stillsteht. Genau das wollte ich hier nun üben. Ich führte Moah nahe an die Pfähle heran und liess sie anhalten. Falls nötig touchierte ich ihre Beine bis sie sicher stand, so dass sie auch stehenbleiben konnte, wenn ich aufstieg. Spätestens wenn ich mich auf ihrer Schulterhöhe befand um dann auf die Pfähle zu steigen ging sie rückwärts. Fortwährend stellte ich sie wieder zurück, aber sie wich auch jedesmal wieder aus.
Nachdem ich sicher zum zwanzigsten Mal korrigiert hatte, nahm ich die Zügel und lief eine Runde mit ihr, weil ich denke, dass das bei konzentriertem Üben eine sinnvolle Auflockerung für Pferd und Mensch ist. Als ich wieder bei den Pfosten anhielt und Moah gerade wieder korrigiert hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte das Wichtigste vergessen – nämlich das Lob! Sogleich kraulte ich Moah ausgiebig den Hals, als sie wieder dort stand, wo ich sie haben wollte und gab ihr ein Gudi. Ich ging wieder zu ihrer Schulter, sie wollte ausweichen. Wieder korrigierte ich sie und gab ihr ein Gudi als sie stand. Eines zuviel, merkte ich. Sie begann zu betteln und stand wiederum nicht ruhig, weil sie ständig versuchte, an meine Hosentasche mit den Leckerli zu kommen. Also gab ich ihr nichts mehr und kraulte sie zur Belohnung nur noch am Hals. Nach zwei drei Wiederholungen bettelte sie nicht mehr.
Schliesslich war es so weit, dass ich auf die Pfähle stehen konnte. Moah wich aber noch nach hinten Richtung Reitbahn aus, sobald ich mich aufrichtete. Ich brauchte eine Begrenzung. Also legte ich meinen rechten Arm mit der Gerte über ihren Rücken und legte die Gerte quer an ihre Flanke. Das zeigte seine Wirkung! Ich konnte aufrecht neben Moah stehen ohne dass sie auswich. Ich kletterte wieder von den Pfählen runter um das Ganze nochmal von vorne zu wiederholen. Moah blieb brav stehen und nach etwa drei Malen wusste ich, dass ich nun ans Aufsteigen denken konnte. Erstmal legte ich nur das rechte Bein auf ihren Rücken, lobte sie und stieg wieder runter von den Pfählen. Ich führte sie wieder eine Runde und sprang mit ihr über einen Baumstamm, der auf dem Reitplatz liegt. Dann gingen wir wieder zu unseren Pfählen.
In der Zwischenzeit war ein Lastwagen herangekommen und war gerade dabei gleich neben uns einzuparkieren. Moah schien das aber egal zu sein. Ich konnte ohne Probleme auf die Pfähle stehen und mein rechtes Bein über ihren Rücken legen. Also stieg ich ganz langsam auf. Moah tat keinen Wank! Sie stand ganz ruhig da, als wäre das die natürlichste Sache der Welt. Ich lobte sie ganz doll, stieg wieder ab und nochmals auf. Moah stand da wie sie sonst nie steht: Vollkommen ruhig, ohne den leisesten Gedanken an vor-, rück- oder seitwärtsgehen. Die Zügel lagen die ganze Zeit über auf ihrem Hals. Ich freute mich riesig und umarmte Moah: «Das hast du wirklich toll gemacht!»
Nachdem ich etwa eine Minute auf ihrem Rücken gesessen hatte, legte ich meine Schenkel an und ritt vom Platz. Auf dem Feldweg oberhalb des Waldes gabs dann einen flotten Galopp im Schnee und dann ritten wir nach Hause.

Nachdem ich Moah abgetrenst und geputzt hatte, spazierten wir zusammen durch den Auslauf. Wenn ich meine Sache an einem Tag gut gemacht habe, läuft sie gerne noch ein bisschen mit mir im Stall herum. Sonst zeigt sie nicht mehr viel Interesse an mir, sobald ich sie freilasse. So weit wie gestern ist sie aber noch nie mit mir gegangen. Sie trennte sich nur von mir, wenn Cochise kam und auch gekrault werden wollte. Den schickte ich aber weg. Jetzt war Moah dran. Irgendwann stand ich zwischen Moah und Cochise, kraulte Moah an der rechten Backe und ab und zu bekam auch Cochise etwas ab. So standen sie jedenfalls beide friedlich in der Sonne und Moah genoss es, gekrault zu werden, die Augen halb geschlossen und den Kopf ganz leicht auf meinen Arm abgestützt.