Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder Longieren von einem erfahrenen Ausbilder lernen sollte. Tatsache ist aber, dass die meisten Reiter einfach früher oder später eine Longe in die Hand gedrückt bekommen, ein Pferd am anderen Ende, und dann heisst es: «Mach mal!» Oder sie versuchen es mit ihrem eigenen Pferd nach dem Motto: Es wird doch wohl nicht so schwer sein! Man bringt sich das Longieren mehr oder weniger selber bei, vielleicht informiert man sich noch in der Fachliteratur darüber, ansonsten bleibt man sich selbst überlassen und «macht halt einfach mal» nach eigenem Gutdünken.
Dass Longieren mehr sein kann als nur das Laufenlassen des Pferdes, damit es wenigstens ein bisschen Bewegung gehabt hat oder damit es nachher beim Reiten nicht mehr «rumspinnt», geht dabei oft verloren. Sinnvolles Longieren hat einen möglichst hohen gymnastizierenden Wert. Wie schon gesagt: Ich bin nicht dafür, dass man sich das Longieren selber beibringt. Aber weil es nun mal oft so ist (auch ich habe zu Beginn grösstenteils auf diese Weise Longieren gelernt), habe ich mich doch dazu entschlossen, auf meiner Website einen Artikel über die Arbeit an der Longe zu veröffentlichen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und im Wissen, dass meine Art zu longieren viele Gegner hat, aber dass es auch namhafte Pferdemenschen gibt, die in ähnlicher Weise longieren.
Ich longiere immer mit Kappzaum und ohne Hilfszügel. Ich halte das für die beste Methode, ein Pferd zu longieren.
Das Pferdemaul ist für mich ein «Heiligtum», das es sensibel zu erhalten gilt. Befestigt man die Longe am Gebiss, läuft man immer Gefahr, entweder das Gebiss durchs Maul zu ziehen oder den Nussknackereffekt auszulösen – je nach dem, wie die Longe am Gebiss befestigt wird. (Etwas anderes ist natürlich das Einschnallen eines Gebisses zur Gewöhnung beim Jungpferd, ohne dass die Longe daran befestigt wird.) Deshalb verwende ich beim Longieren einen Kappzaum.
Der Kappzaum hat auf der Mitte der Pferdenase einen Ring, in den die Longe
eingehakt wird. Wie du auf der Zeichnung rechts siehst, ist der Nasenrücken
fest mit dem Genick verbunden (blau). Anders der Unterkiefer (orange),
auf den ein Gebiss einwirken würde. Der ist unabhängig vom
Genick beweglich. Über den Kappzaum kann ich also direkt auf das
Genick des Pferdes einwirken. Das Genick wiederum ist verbunden mit der
Halswirbelsäule und die geht über in die Rückenwirbelsäule,
an der letzendlich das Becken und somit die Hinterhand ansetzt. Das heisst:
Mit dem Kappzaum kann ich aufs ganze Pferd einwirken, sogar auf die Hinterhand!
Ich kann mit dem Kappzaum sehr präzise Hilfen geben und das Pferd
auch stellen und biegen.
Gerade bei Pferden, die beim Longieren nicht nur lieb sind, habe ich mit
dem Kappzaum zudem mehr Einwirkung mit weniger negativen Auswirkungen bei
starkem Zug. Desweiteren muss ich die Longe bei jedem Handwechsel umschnallen,
wenn ich sie am Gebiss befestige. Es sei denn ich benutze eine Longierbrille.
Hake ich sie hingegen in den mittleren Ring des Kappzaums, habe ich die
Möglichkeit, so interessante Hufschlagfiguren wie etwa Wechsel durch
den Zirkel und Schlangenlinien auch in die Arbeit an der Longe einzubauen.
Ich verwende keine Hilfszügel, weil Hilfszügel einerseits etwas vortäuschen können, was nicht ist. Bestes Beispiel: Das Pferd läuft mit Hilfszügel scheinbar «wunderschön» und sobald der Hilfszügel weg ist, hat man wieder eine «Giraffe» vor sich. Andererseits kann ich davon ausgehen, dass das Pferd, das ohne Hilfszügel in die erwünschte Haltung kommt, auch wirklich verstanden hat, was ich von ihm will und sich so wohl fühlt.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich ein «festgebundenes» Pferd keine andere Haltung suchen kann, wenn seine Muskeln ermüden. Gerade bei Pferden, die noch Mühe mit der von uns gewünschten Haltung haben, müssen wir vorsichtig sein! Ein Pferd ohne Hilfszügel kann jederzeit den Hals heben, wenn die Dehnungshaltung zu anstrengend wird. Es kann sich aber auch jederzeit in dem Mass strecken, wie es möchte. Bei einem ausgebundenen, ungeübten Pferd müsste ich anfangs mindestens alle fünf Minuten die Hilfszügel wieder herausnehmen oder verlängern, um Verspannungen vorzubeugen. Und ich habe ehrlich gesagt leider noch niemanden gesehen, der das so machen würde. Nein, die meisten Leute lassen ihre Pferde gar eine halbe Stunde oder länger ausgebunden, in der Regel auch noch mit viel zu eng eingestellten Hilfszügeln, von denen ganz zu schweigen, die schon zu Beginn der Aufwärmphase ausbinden. Das ist kontraproduktiv!
Oft werden Pferde longiert, weil sie verspannt sind, nicht losgelassen
gehen können und nicht
über genügend Muskulatur verfügen, um sich in der erwünschten
Haltung zu bewegen. Interessanterweise bekommt man gerade bei diesen Pferden
immer wieder zu hören, dass Longieren ohne Hilsfzügel nicht sinnvoll
sei, weil das Pferd dann in schlechter Haltung gehe. Aber: Das Pferd ist
doch verspannt und es fehlt ihm die richtige Muskulatur – es kann
ja gar nicht in
«korrekter» Haltung gehen! Wie soll ein Pferd, das ohne
Hilfszügel nicht in der Lage ist, sich zu dehnen, das mit Hilfszügel
tun?!?
Longieren ohne Hilfszügel ist nicht nur etwas für Pferde, die
von sich aus schon in Selbsthaltung gehen, sondern vielmehr noch eben auch
gerade für alle Pferde, die verspannt und schlecht bemuskelt sind.
Mit der Zeit lösen sich die Verspannungen und das Pferd lässt
den Hals auch ohne Hilfszügel fallen. Frühestens dann würde
ich
überhaupt Hilfszügel verwenden, weil ich nun davon ausgehen kann,
dass die Muskulatur des Pferdes für die Haltung, die ein Hilfszügel
vorgibt, bereit ist.
Welcher Kappzaum der richtige ist, darüber kann man sich streiten. Die einen bevorzugen schwere Kappzäume, andere schwören auf leichtere Ausführungen, das hängt auch davon ab, mit wie viel Anlehnung an der Longe man arbeiten möchte. Letzlich sollte die Hauptsache sein, dass sich das Pferd mit dem gewählten Kappzaum wohl fühlt. Einzig vom Kauf einer Serreta rate ich ab. Bei diesem Kappzaum besteht das Nasenteil aus einem einzigen festen Eisenstück, das nicht verbogen werden kann. Seine Form muss der Pferdenase deshalb genau angepasst sein. Alle anderen Kappzäume lassen sich mehr oder weniger individuell für das jeweilige Pferd einstellen.
Wichtig ist, dass das Nasenteil des Kappzaums zur Nasenform des Pferdes
passt. Zwischen Pferdenase und Kappzaum sollte es keine Lücke geben. Der Kappzaum muss satt sitzen. Die hierzulande traditionellen Deutschen und Wiener Kappzäume, sind präzise in der Wirkung, aber nicht scharf und daher grundsätzlich auch für Einsteiger sehr empfehlenswert. Allerdings braucht es hier oft einige Anläufe, bis man ein Modell gefunden hat, das dem eigenen Pferd wirklich passt. Recht gut anzupassen sind der Pluvinel-Kappzaum
(oberes Foto) und das Caveçon (unten). Beide sind leicht und passen
praktisch jedem Pferd, weil die Form des Naseneisens nicht starr ist.
Der Pluvinel-Kappzaum ist eine milde Variante des Kappzaums. Er eignet sich
gut für Einsteiger und sensible Pferde. Das Nasenteil des Caveçons
besteht aus einer mit Leder ummantelten Gliederkette (ähnlich wie eine
Fahrradkette). Es wirkt sehr präzise, ist aber auch schärfer als ein
Pluvinel-Kappzaum. Darum ist es bei diesem Kappzaum wichtig, mit
impulsartigen Longenhilfen zu arbeiten. Eine feste Anlehnung sollte man
hier nicht aufbauen.
Egal für welchen Kappzaum du dich entscheidest,
solltest du darauf achten, dass er mit einem Backenriemen
versehen ist. Dieser verhindert, dass das Backenstück Richtung
Pferdeauge rutscht. Die beiden Kappzäume auf den Fotos haben leider keinen solchen Riemen.
Beim ausgebildeten Pferd ist das nicht weiter schlimm. Am Anfang kann es hingegen
durchaus vorkommen, dass das Pferd davonstürmen will oder nach aussen zieht,
und man mehr Zug auf der Longe hat. Da passiert es dann leicht, dass der Kappzaum
trotz fester Verschnallung verrutscht.
Eher ungeeignet sind billige Kappzäume aus Nylon. Oftmals sind diese nicht viel mehr als gewöhnliche Halfter mit Ringen auf einem gepolsterten Nasenband. Diese Kappzäume sitzen nicht fest und es mangelt an präziser Einwirkung. Sie eignen sich allenfalls fürs Laufenlassen des Pferdes an der Longe, aber nicht für sinnvolle gymnastizierende Arbeit. Je mehr man einen Kappzaum polstert, desto schwammiger wird die Wirkung. Und ein guter Kappzaum hat seinen Preis! Einen guten Kappzaum findet man entweder beim Sattler oder in diversen Internet-Shops. Es gibt auch Massanfertigungen für besonders grosse oder kleine Pferdeköpfe. Ab und zu hat man auch das Glück, von jemandem einen gebrauchten Kappzaum zu bekommen. Ein Blick in die Internet-Auktionshäuser und in den Kleinanzeigenteil von Pferdeforen kann sich lohnen. In dieser Linkliste findest du einige Shops, die Kappzäume in verschiedenen Varianten verkaufen.
Halfter sind zum Longieren nur bedingt geeignet. Mit dem Halfter kannst du das Pferd nicht biegen. Auch ein gut sitzendes Knotenhalfter ist in der Wirkung nicht mit einem Kappzaum vergleichbar.
Zur Anpassung: Zuerst ziehst du den Nasenriemen des Kappzaum satt an, erst dann stellst du das Genick-/Backenstück ein. So rutscht der Nasenriemen noch ein bisschen nach oben und sollte dann fest sitzen. Der Nasenriemen soll zwei Fingerbreit unterhalb des Jochbeins liegen, aber er darf auch nicht auf die Atemwege des Pferdes drücken. Den Backenriemen verschnallst du ebenfalls satt. Der Kappzaum sollte insgesamt möglichst fest sitzen. Je nach dem empfiehlt es sich, mit einer Lochzange zusätzliche Löcher zwischen die schon vorhandenen zu stanzen, damit der Kappzaum wirklich sitzt.
Die Wahl der Longe halte ich mehr oder weniger für Geschmacksache. Sie sollte angenehm zu fassen sein, also weder zu dick noch zu dünn. Mit welcher Dicke du am wohlsten bist, musst du selber herausfinden. Generell gilt: Weiche Longen sind schwammiger in der Übertragung der Hilfen weil sie auf Zug etwas nachgeben, während eine Longe aus starrem Material direkter und präziser wirken. Für den Anfang ist eine weiche Longe deshalb sicher nicht verkehrt. Als Fortgeschrittener wirst du eine unnachgiebige Longe aber evtl. bevorzugen.
Worauf du achten solltest, ist der Karabinerhaken. Meine erste Longe hatte einen einfachen Schnappverschluss. Dummerweise ging dieser immer von selber auf, wenn der Haken sich bei einem Richtungswechsel so drehte, dass er gegen den Ring am Kappzaum gedrückt wurde. Wenn ich die Longe schon am Kappzaum befestige, möchte ich eigentlich auch, dass sie dort befestigt bleibt, bis ich sie selber löse.
Die Longe befestigst du am mittleren Ring des Kappzaums. Die seitlichen
Ringe des Kappzaums werden beim Longieren nur verwendet, wenn ein Pferd ständig nach
aussen drängt. Durch die Befestigung der Longe am seitlichen Ring
wird verhindert, dass der Kappzaum auf der äusseren Seite Richtung
Pferdeauge rutscht.
Die üblichen Longierpeitschen haben meist den Nachteil, dass sie sehr schwer sind. Handlicher sind Fahrpeitschen oder lange Gerten für die Arbeit an der Hand.
Viele Leute verwenden beim Longieren mit Gebiss eine Longierbrille. Die Longierbrille hat den entscheidenden Nachteil, dass Zug an der Longe immer am äusseren Gebissring ankommt. Das heisst, es ist nicht möglich, das Pferd an der Longe zu biegen, und wenn man etwa die Longe annimmt, weil das Pferd weiter nach innen kommen sollte, erhält das Pferd genau die gegenteilige Anweisung: Es folgt dem Zug am äusseren Gebissring. Das Problem der Biegung wird oft umgangen, indem das Pferd mit einem Hilfszügel longiert wird, der auf der inneren Seite etwas kürzer verschnallt ist. Dies hat wiederum den Nachteil, dass fliessende Handwechsel nicht möglich sind, weil ich bei jedem Handwechsel den Hilfszügel neu einstellen muss.
Trage beim Longieren stets feste Schuhe und Handschuhe. Je nach dem empfiehlt es sich, dem Pferd Gamaschen und Hufglocken anzuziehen.
Longiere besonders zu Anfang nur auf einem sicher eingezäunten Platz. Ich persönlich arbeite (mit einem gut erzogenen Pferd) lieber auf dem Reitplatz als in einem Longierzirkel, weil ich da auch geradeaus gehen kann und nicht auf dem Zirkel bleiben muss. Longieren muss nicht zwingend auf die Gelenke gehen, weil man auf einen Kreis beschränkt ist, wie so oft kritisiert.