Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen um ein Pferd in die gewünschte, fürs Reiten korrekte Haltung zu bringen. (Mehr über die Haltung unter Über den Rücken gehen und Anatomisch richtig reiten.) Einige haben durchaus ihre Berechtigung, andere basieren auf Zwang und Gewalt und kommen daher für eine faire, pferdefreundliche Reitweise nicht in Frage. Überleg dir immer Folgendes:
Im Folgenden werde ich zu erklären versuchen, wie ich vorgehe um ein Pferd über den Rücken zu reiten. Ich habe mit dieser Methode gute Erfahrungen gemacht, bin aber weit davon entfernt, zu behaupten, sie wäre auf alle Pferde und Reiter anwendbar. Dies ist kein strenges Schema sondern ein Leitfaden, der je nach Pferd abgeändert werden kann und soll. (Mehr dazu unter Alternativen.)
Für ein Boxenpferd müssen 10 Minuten eingerechnet werden, bis sich ausreichend Gelenkschmiere gebildet hat. Pferde, die sich frei bewegen können lasse ich auch mindestens auf jeder Hand zwei Runden am langen Zügel Schritt gehen. Oft führe ich das Pferd zum Aufwärmen, weil ich zuerst an der Hand arbeiten möchte, und steige erst danach auf. Das Pferd sollte ruhig schreiten und mit tiefem Hals gehen.
Die Arbeit an der Hand mit Trense und Gerte ist u. a. hervorragend dazu geeignet, dem Pferd neue Lektionen beizubringen. Die Pferde lassen sich so häufig leichter an den Zügel stellen und man kann die Hinterhand gut kontrollieren. Einziger Nachteil: Du solltest dir von jemandem, der Erfahrung damit hat, zeigen lassen wie es geht. Alleine kriegt man es kaum richtig hin, weil man auf vieles gleichzeitig achten muss.
An der Hand muss sich das Pferd nun in den Ecken biegen und ich lasse es – so weit es seine Ausbildung bereits zulässt – Seitengänge gehen. (Reihenfolge entsprechend dem Schwierigkeitsgrad: Schulterherein, Travers/Renvers, Traversale. Je anspruchsvoller, desto besser muss das Pferd auch schon aufgewärmt sein.) Ansonsten beginne ich mit Schenkelweichen und erarbeite mir dann im Lauf der weiteren Trainingsstunden zu gegebener Zeit die Seitengänge. Nach jeder erfolgreichen Sequenz lasse ich dem Pferd die Zügel lang und lasse es sich 1/2–1 Runde strecken. Anfangs sind die Sequenzen nur kurz. Je weiter das Pferd ausgebildet ist, desto länger und intensiver kann ich mit ihm auch an der Hand arbeiten. Handwechsel nicht vergessen!
Nun sitze ich auf. Das Pferd ist bereits aufgewärmt und im Idealfall sogar schon so weit gelöst, so dass ich mit der Arbeit anfangen kann. Genauso gut kann die Arbeit aber erst mal darin bestehen, das Pferd in die korrekte Haltung zu bringen: Macht sich das Pferd immer noch fest, reite ich nun grosszügige Wendungen. Dabei achte ich nun darauf, dass sich das Pferd über die ganze Länge biegt, denn ein gebogenes Pferd kann sich nicht mehr festmachen und entspannt sich. Häufige Handwechsel erleichtern es zusätzlich, das Pferd zu lösen. Das gilt es zu beachten:
Lässt sich das Pferd durch normale Biegearbeit nicht zufriedenstellend los, lasse ich es seitwärts treten. Schenkelweichen und Schulterherein sind hervorragende lösende Lektionen. Es macht nichts, wenn das Pferd dabei noch nicht am Zügel geht oder sich gar zu entziehen versucht. Ich zwinge das Pferd nicht herunter und lasse einfach die Hände stehen. (Wie Ausbinder) Entscheidend ist, was die Hinterbeine machen. Durch das Kreuzen der Beine wird das Pferd gelöst. Die Hinterbeine müssen wirklich aktiv sein. Schleppt sich das Pferd nur irgendwie durch die Übung, werde ich es nicht lösen können. Ich kann die Übung auch mehrmals unterbrechen und anhalten, wenn das Pferd aus der Spur gerät, zu wenig oder zu stark seitwärts geht, und dann Vor- und Hinterhand wieder in die gewünschte Position bringen, bevor ich weiterreite. Nach dem Zurückführen auf den Hufschlag gebe ich dem Pferd die Zügel hin. Selbst wenn das Pferd sich während der Seitwärtsbewegung den Hilfen zu entziehen versuchte, wird es sich nun strecken und den Hals tiefer fallen lassen. Hebt es den Kopf wieder, fasse ich die Zügel wieder nach, bis ich Kontakt zum Maul habe und gebe sie erneut wieder länger, so weit wie sich das Pferd streckt. Das Pferd lernt so allmählich, stets eine leichte Verbindung zur Hand beizubehalten.
Hat sich das Pferd gelöst fühle ich nun eine gewaltige Veränderung in den Bewegungen des Pferdes. Es geht schwungvoller, ich habe das Gefühl, es flössen Wellen aus der Hinterhand über den Pferderücken, die mich anheben. Das liegt daran, dass das Pferd nun die Hinterbeine besser einsetzt. Flaut dieses Gefühl ab, kann ich das Pferd erneut seitwärts gehen lassen, damit es seine Hinterhand wieder besser mitnimmt.
Ist das Pferd im Schritt hinreichend gelöst reite ich auch Trab und Galopp. Schenkelweichen und Seitengänge fallen für mich und auch für die meisten Pferde aufgrund des Ausbildungsstandes in diesen Gangarten weg. Deshalb konzentriere ich mich darauf, das Pferd weiterhin konsequent zu biegen. Pferde mit Haltungsschwierigkeiten sitze ich vorerst nicht aus sondern trabe leicht oder gehe in den Entlastungssitz, damit sie den Rücken aufwölben und sich dehnen. Wie zuvor gebe ich dem Pferd immer wieder die Gelegenheit, sich am langen oder hingegeben Zügel zu strecken. Es ist ein steter Wechsel aus Pferd-Aufnehmen und Streckenlassen. So bekomme ich ein lockeres Pferd, das nicht gegen mich ankämpft, weil ich es nicht für den Rest der Stunde in einer starren Haltung festzwinge.
Wird das Pferd steif, achte ich wieder besonders gut darauf, dass es sich in den Ecken und auf Kreislinien wirklich biegt. Wie schon gesagt: Ein korrekt gebogenes Pferd kann sich nicht festhalten. Drückt das Pferd den Hals hoch oder lässt ihn nicht recht fallen, hilft es, wenn ich mit dem Gertenknauf oder der Hand (immer mit der inneren Hand!) dem Mähnenkamm entlang fahre. Die meisten Pferde lassen darauf den Hals etwas fallen. Bei Pferden, die sich auf den Zügel legen, ist es wichtig, leicht in der Hand zu bleiben und immer wieder nachzugeben. Nur wenn ich dem Pferd nicht die starre Stütze gebe, die es sucht, wird es auch lernen, sich selber zu tragen.
Hier eine Reihe weiterer Übungen, die helfen können, ein Pferd zu lockern und über den Rücken zu reiten.
Am Boden liegende Stangen veranlassen das Pferd hinzugucken und den Rücken aufzuwölben. Die Zügel gebe ich über den Stangen vor und ich gehe in den Entlastungssitz. Damit animiere ich das Pferd, sich vorwärts-abwärts zu dehnen.
Manche Pferde lassen sich beim Springen gut lösen. Die Sprünge sollten aber niedrig sein. (Bis etwa 80 cm)
Es gibt Pferde, die sich im Galopp sehr gut lösen. Wirkungsvoller als langes Galoppieren sind eher kurze Reprisen, sprich häufiges Angaloppieren.