Hier findet ihr die Einträge aus meinem Reitstundentagebuch, das ich früher führte. Erkennt ihr vielleicht gewisse Situationen wieder? Mit dem Reiten angefangen habe ich übrigens im Januar 1995 in der Reitschule Eldorado in Köniz. Von da an ging ich mehr oder weniger regelmässig jede Woche in die Reitstunde.
«Von nun an habe ich am Freitag Reitstunde. Ich war schon um zwanzig nach eins da. Ich hatte Boy. Die anderen Kinder sind auch etwa in meinem Alter. Ausserdem bin ich mal nicht die, die am wenigsten lang reitet. Jedes Mal hält ein Kind einen kleinen Vortrag über Pferde. Diejenige, die heute dran war, sagte etwas über die Zähne des Pferdes. Fränzi (= Reitlehrerin) erklärte uns, dass je älter ein Pferd ist, desto mehr gehen die Zähne nach vorne. Weil wir die Mittelvolte zu klein ritten, erklärte uns Fränzi worauf wir achten müssen, wenn wir auf der A- oder C-Volte reiten, damit sie die richtig Grösse hat. Da diese Volten gleich gross sind wie die Mittelvolte, mussten wir sagen, bis zu welchem Balken wir reiten müssen, damit sie die richtige Grösse hat. Boy war ein Schätzu.» («Schätzu» = schweizerdeutsch für «Schatz»)
«Zuerst hatte ich Fridolin. Dann musste ich auf Angelo wechseln. Die eine, die mit mir galoppieren sollte fragte, ob sie mit mir auf der Volte (Anmerkung: Achtung Deutschland und Österreich! Gemeint ist der Zirkel, bzw. die grosse Tour!) galoppieren dürfe. Sie durfte. Als wir rechtsherum galoppieren sollten, fragte ich Fränzi, ob ich nicht linksherum dürfe weil Angelo rechts immer so frest. Fränzi sagte ja. Später ging Angelo mal wieder durch. Er galoppierte quer durch die Halle. Ich konnte ihn zum Glück vor der Wand stoppen. Sonst wäre er direkt in die anderen Pferde gerast.»
«Heute hatte ich Angelo. Er war ganz brav. Leider hatten wir nicht mit Fränzi, sondern mit Herrn Schliechter. Ich konnte Angelo sehr gut aufzäumen. Anfangs Stunde gingen wir wie immer Schritt. Angelo ging zu vorderst. Ich musste ihn dauernd treiben. Im Trab ging er supergut. Die meisten trabten immer auf dem falschen Fuss. (Nur ich nicht.) Galoppieren ging sehr gut. Allerdings ging es immer lange, bis Angelo galoppierte. Ich musste ihn immer mit der Gerte ganz fein anticken. Dann sprang er immer sofort in den Galopp. Die auf Boy musste an der Longe galoppieren, weil sie Angst vor dem Galoppieren hat. Ausserdem kam sie mit ihm nicht sehr gut zurecht. Auch die auf Bento galoppierte an der Longe. Wir schwitzten gewaltig. Am Ende der Stunde, als wir abgestiegen waren, sagte Herr Schliechter zu mir, ich sei sehr gut geritten, aber ich solle ein bischen mehr nach hinten lehnen. Absatteln und abzäumen ging gut. Hufe auskratzen auch. (Jedenfalls bei den Hinterbeinen.) Ich hoffe, dass es in der nächsten Stunde auch wieder so gut geht. Beim Heimgehen ging ich mit einer 16-jährigen zusammen. Sie war sehr nett. Leider weiss ich nicht, wie sie heisst. Aber das ist ja auch nicht so wichtig.»
Angelo
«Heute wurde mir Boy zugeteilt. Ich habe ihn wie immer geputzt und nachher von Milena aufzäumen lassen, weil er den Kopf immer hochwirft. Dann hab ich versucht, ihn zu satteln und – O Wunder! – Es ging. Zum ersten Mal in meinem Leben! Leila hatte Ali. Sie hat fast alles falsch gemacht. Darum hat Rösi ihr gesagt, sie soll mal bei den anderen Pferden schauen wie. Dann hat sie uns allen einen «Stallvortrag» gehalten übers Satteln und Zäumen und die Folgen, wenn man es falsch macht. Wir hatten mit der neuen Reitlehrerin Stunde. Ich finde sie nicht so nett wie Fränzi. Ihr Unterricht ist nicht so interessant. Aber wir haben die Vorhandwendung gelernt. Später mussten wir ganz lang auf der C-Volte Schritt reiten. Dann einzeln geradeaus galoppieren. Boy hat einen superweichen Galopp. Nach der Stunde sattelte ich Boy ab. Danach putzte ich ihn. Er war ganz verschwitzt. Die Hinterhufe konnte ich ihm ohne Probleme auskratzen. Aber vorne gab er sie einfach nicht her. Da half mir Rösi. Boy ist ein Superpferd!»
I Boy
«Ich hatte Sinfonie. Sie ist sehr gross. Die Person, die sie gestern geritten hatte, hat sie nicht geputzt. Drum musste ich sie gründlich putzen. Es hat drei neue Pferde und eine neue Reitlehrerin gegeben. Sie heisst Anita. Ich ritt mit Sinfonie zuvorderst. Anfangs musste ich sie ein bisschen treiben. Danach ging sie schön vorwärts. Ein paar mal war Angelo vorne, hinter ihm Bobby, hinter Bobby war ich. Da Angelo und Bobby im Trab weniger schnell sind als Sinfonie, musste ich wieder nach vorne. Fridolin rannte Sinfonie immer in den Hintern. Später mussten wir auf der Volte galoppieren. Sinfi ging gut, aber ich glaube, ich habe sie in den Galopp gejagt. Die anderen kamen mit ihren Pferden nicht so gut zurecht. Ich hoffe am Dienstag ist schönes Wetter, weil wir dann Sporttag haben. Wenn nicht schönes Wetter ist, ist er am Donnerstag und dann kann ich nicht in die Reitstunde. Wenn ich am Donnerstag in die Reitstunde kann, möchte ich wieder Sinfonie.»
«Ich hatte eines von den neuen Pferden. Hope Along. Eine braune Stute. Sie ist sehr nett. Aber sie lässt sich nicht kehren. (Zur Seite treten lassen) Leider hatten wir mit Carol(ine?) Stunde. Hope Along ist faul und ich musste sie leider dauernd in die Seiten hauen. Galoppieren konnte ich nicht mit ihr.»
«Schon wieder Hope Along! Oje. Sie liess sich brav satteln und trensen, aber die Faulheit zeigte sich schon als ich Schritt anreiten wollte. Sie tat keinen Wank. Anita hatte mir Sporen gegeben. War aber auch nicht sehr überzeugend. Vor allem Angaloppieren ging lange. Aber auch bei den anderen Pferden. Jedenfalls waren nach der Stunde alle ziemlich k.o. Es hat wieder ein neues Pferd gegeben. Ein schwarz-weisser Schecke mit Namen Janosch. Die anderen «halbneuen» Pferde heissen Sea Crest und Ulysse du Moulin, ein Schweizer.»
«Vom Montag, dem 30. September an gingen wir jeden Tag zu Teubers reiten. Sarah nahm meistens Hektor und ich Bylur. Zwischendurch wechselten wir auch. Assja konnte man leider nicht reiten, weil sie an den Hinterbeinen eine Verletzung hatte. Zuerst holten wir alle drei Ponys von der Weide und putzten sie. Danach probierten wir eine Linda-Tellington-Jones-Führposition aus. Schliesslich zäumten wir dann Hektor und Bylur auf. Wir ritten auf der Weide. Schritt, Trab und Galopp ohne Sattel! Am Mittwoch regnete es und wir gingen fort. Am Abend misteten wir dann und fütterten die Ponys. Am Donnerstag ritt ich zum ersten Mal aus. Es war super! Am Freitag ritten wir noch mal aus!»
«Ich hatte Bobby. Das freute mich. Ich zäumte und sattelte ihn. Mit dem Hinterhufe-Auskratzen war es wie immer. Er ging so nah wie möglich an die Wand. Aber ich sagte mir: Nur nicht aufgeben! Beim Reiten lief er immer hinter Angelo. Aber damit hat sich jeder abgefunden. Da Anita noch nicht von ihrem Ausritt zurück war kam Corinne. Sie stellte sich vor und sagte, sie vertrete Caroline, wenn sie beim Militär sei. Schliesslich kam dann Anita. Später sollten wir galoppieren. Ich bin schon länger nicht mehr so schön galoppiert. Ich musste zwar die Peitsche brauchen, aber das liegt nicht an Bobbys Gehorsam, sondern an seinem Umfang. Da kommen meine Beine nicht so gut hin. Er ist nicht dick. Er ist einfach rund gebaut. Wie ein «Ackergaul». Am Ende der Stunde gab uns Anita einen Zettel, den wir ausfüllen sollten. Absatteln und abzäumen ging einfach. Nur die Decke auflegen war nicht so leicht. Statt der Brustschnalle war ein Führstrick da. Wahrscheinlich waren die Bänder der Schnalle zu kurz bei Bobby. Als ich mit ihm fertig war, half ich noch beim füttern. Hoffentlich habe ich nächstes Mal auch wieder Bobby.»
«Ich hatte zwar nicht Bobby aber das machte
nichts. Wenn ich Fridolin hatte, war das schon
super! Ich putzte, zäumte und sattelte ihn.
Ich hatte vergessen, den Stosszügel reinzutun,
aber Rösi hat es mir gesagt.
Wir hatten mit Corinne Stunde. Sie sagte uns, dass
wir abwenden sollten, wenn wir zu nah am vorderen
Pferd seien. Ich habe es ein paar Mal mit Fridolin
gemacht und danach ging er ziemlich gut. Schon in
einer früheren Stunde hatte uns die
Reitlehrerin das gesagt, und auch damals gingen die
Pferde besser. Fridolin finde ich ein Superpferd,
weil er ein weiches Maul hat. Er ging gut. Auch
beim Galoppieren ging er nicht schlecht. Mal war er
zuvorderst, mal zuhinterst, mal irgendwo
zwischendrin. Leider musste er noch in der
nächsten Stunde gehen. Seine nächste
Reiterin (Ich weiss nicht mehr, wie sie heisst)
hatte Angst. Aber ich sagte ihr, das brauche sie
nicht zu haben. Nach der Stunde sagte mir Maya,
Pablos Reiterin, ich sei gut geritten.
Ach ja, vor der Stunde bin ich noch ins Büro
gegangen und gab den Zettel ab. Als die Frau
gelesen hatte, dass ich mir Reiterspiele in der
Klasse wünschte, meinte sie, das sei eine gute
Idee.»
«Ich hatte Fridolin, weil ich es mir gewünscht habe. Aufzäumen und Satteln ging gut. Eigentlich hätten wir zu zweit Reitstunde gehabt, aber die andere Reiterin kam nicht. Also kam ich in den «Genuss» einer Einzelstunde. Anfangs ging Fridolin nicht so gut, weil er sich allein fühlte. Schugi hat ihm dann das Elastikzeugs (Halsverlängerer) wieder angemacht. Weil er immer wieder wieherte, liess sie Musik an. Er würde dann ein bisschen abgelenkt werden, meinte sie. Da galoppierte er immer an der kurzen Wand bei A an, weil dort die Lautsprecher sind. Ich musste galoppieren, damit Fridolin ein bisschen müde wurde. Ich bin sicher etwa zehn bis zwanzig Runden galoppiert, obwohl die meisten Runden eher Zirkel waren und ich zwischendurch wieder in den Trab fiel, was ich nicht sollte (und auch nicht wollte). Ein weiteres Problem war, dass ich im Galopp nicht gut sitze. (Wahrscheinlich nehme ich mal wieder zwei, drei Longenstunden.) Am Ende der Stunde waren wir jedenfalls sehr verschwitzt. Vor allem Frido. Cornelia war froh, dass wir so viel galoppiert waren. Sie hoffte, dass er darum bei ihr nicht so viel durchgehen würde.
P.S.: Die Reithosen sind fürchterlich! Aua!»
«So, wir machen nun im Tagebuch einen Riesen-Zeitsprung
in die Gegenwart. Mit gutem Grund, heute war
nämlich ein besonderer Tag für mich
…
Für die Reitstunde gingen wir auf den
Reitplatz. Nach wenigen Runden am langen Zügel
begann die Arbeit. Wie so oft hiess die erste
Aufgabe Schulterherein. Und wie so oft korrigierte
mich Seraina schon vor dem ersten Schritt. Also das
Ganze nochmal von vorne. «Er gibt noch nicht
nach!» Auch das kenne ich mittlerweile zur
Genüge. Wie ich Marco mit tätigem Maul
durchs Genick bringe, daran üben wir schon
lange. Mit der Zeit verlor er immer mehr an
Haltung. Schliesslich liess mich Seraina absteigen
und ritt es mir vor. Innert Kürze war er
wieder versammelt und rund, ging leichtfüssig
und weich, piaffierte gar mit weit untergeschobener
Hinterhand! Danach war ich wieder an der Reihe.
«Ruh dich nicht auf meiner Arbeit aus! Du
verlierst die Form schon wieder.» Ich gab
mein Bestes um Marco auf der Volte so angenehm
weich zu erhalten, wie ich ihn eben
zurückbekommen hatte. «Sehr
schön!», lobte Seraina. Schulterherein.
Zweiter Versuch. Korrektur um Korrektur folgte,
kurz bevor ich Schulterherein reiten wollte,
versteifte sich Marco immer. Nach etlichen
Wiederholungen war Seraina doch noch zufrieden und
liess mich eine halbe lange Seite Schulterherein
reiten. Wow, so weit hab ichs schon länger
nicht mehr geschafft! «Ich weiss, es ist
mühsam», entschuldigte sie sich für
die unermüdlichen Korrekturen, «Mir
gings bei Herrn Hinrichs genauso!» Richard
Hinrichs; ich glaube, wenn sie ihn einmal im Lauf
einer Reitstunde nicht erwähnen würde,
wäre etwas nicht mehr in Ordnung. In den
Pausen am langen Zügel läuft sie meist
neben mir her und erzählt mir von ihm.
Über ihre Korrekturen bin ich mehr als froh!
Wer weiss, wie weit ich in meinen acht Jahren
Reitunterricht gekommen wäre, wenn alle meine
Reitlehrer so gründlich gewesen wären
…!
Neue Aufgabe: Anhalten und
Rückwärtsrichten. Unwillig machte Marco
ein paar Tritte zurück. «Weisst du,
warum er so zäh rückwärts geht?
– Du musst deine Unterschenkel weiter
zurück nehmen!» Ich tat wie mir
geheissen. Das Ergebnis entsprach allerdings nicht
meinen Vorstellungen: Marco begann zu piaffieren.
«Du sitzt zu schwer ein. Lehne dich mehr vor
um seinen Rücken zu entlasten.» Diesmal
klappts. In der nächsten Ecke sollte ich
wieder rückwärts richten und daraus dann
anpiaffieren. Erst eilte Marco nur im Schritt
davon. «Tipp ihm mit der Gerte auf die
Kruppe. So!» Seraina zeigte mir wie ich
touchieren muss, damit Marco seine Kruppe senkt. Es
kam schon besser. Zum Schluss kündete Seraina
noch eine besondere Übung an: Ich sollte
anhalten, ein paar Tritte
rückwärtsrichten und dann aus der Piaffe
angaloppieren. «Die Piaffe ist nicht so
wichtig. Es geht ums Galoppieren.»
erklärte Seraina. Nun, kurz gesagt: Mit
Rückwärtsrichten kam ich nicht so weit,
wie ich eigentlich wollte und das Angaloppieren war
auch nicht meisterhaft. Seraina liess da jedoch
fünf gerade sein, denn ich konnte
tatsächlich ohne irgendwelche Hilfen
ihrerseits piaffieren! Ich war allerdings viel zu
sehr mit dem misslungenen
Rückwärtsrichten und dem verpatzten
Galoppübergang beschäftigt. Die Piaffe
sei gar nicht wichtig, hatte Seraina doch gesagt.
Um so verwirrter war ich, als sie mir zum Schluss
die Hand entgegenstreckte: «Gratuliere, du
bist die erste, die Marco ganz alleine piaffieren
kann!» Seraina war ziemlich stolz auf mich.
Ich hingegen hab glaub ich immer noch nicht ganz
begriffen, was ich zu Stande gebracht habe.»