Die einzelnen Hilfen kannst du dir vorstellen wie Vokabeln in einer Fremdsprache. Solange du nur einzelne Wörter kennst, kommst du nicht weit. Erst aus der Kombination mehrerer Wörter ergeben sich sinnvolle Sätze. Genauso ist es mit den Hilfen; Je mehr Hilfen du und dein Pferd kennen, desto differenzierter kannst du dich ausdrücken. Mit einer einzigen Schenkelhilfe allein kannst du keine Volte reiten. Dazu ist das Zusammenspiel aller Hilfen nötig.
Mit den Schenkelhilfen kontrollierst du Rumpf und Hinterhand des Pferdes.
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Wann immer vom «Schenkel» die Rede ist, ist nicht nur der Unterschenkel oder gar nur der Absatz, sondern das ganze Bein – also auch der Oberschenkel – gemeint! |
Er liegt am Gurt. (Abb. unten) Du drückst ihn ans Pferd, wenn du es vorwärts treibst oder wenn es sich zur Seite hin biegen soll. Das Pferd biegt sich um den biegenden Schenkel.
Der verwahrende Schenkel liegt etwa eine Hand breit hinter dem Sattelgurt (Abb. Mitte). Er verhindert, dass das Pferd in der Wendung mit der Kruppe nach aussen drückt (Ausfallen mit der Hinterhand). Viele Reiter ziehen das Bein hoch statt es zurückzunehmen. Das ist ein grosser Fehler! (Abb. rechts) Lege immer das ganze Bein aus der Hüfte heraus hinter den Gurt und nicht nur den Unterschenkel, dann passiert dir das nicht.
Der verwahrende Schenkel liegt grundsätzlich ohne speziell Druck auszuüben am Pferdebauch an. Wenn das Pferd aber trotzdem mit der Hinterhand nach aussen kommt, kannst du ihn zur Verdeutlichung etwas stärker anlegen.
Erst wenn du ein fortgeschritteneres Stadium erreicht hast, wirst du auch den seitwärtstreibenden Schenkel kennenlernen. Er liegt treibend etwas weiter hinten als der vorwärtstreibende Schenkel, jedoch nicht so weit hinten wie der verwahrende Schenkel. Legst du ihn zu weit nach hinten wirkt er nicht deutlicher sondern schwächer. Ausserdem soll das Pferd in allen Seitengängen mit der Vorhand der Hinterhand etwas vorausgehen; Also musst du so weit vorne treiben, dass das Pferd vorwärts-seitwärts und nicht nur seitwärts geht.
Mit den Zügeln hältst du eine leichte Verbindung zum Pferdemaul aufrecht. Zügelhilfen sollten fein sein und den geringsten Teil der Hilfengebung ausmachen. Einerseits ist das Pferdemaul sehr empfindlich – auch wenn man das bei manchen Schulpferden nicht mehr merkt – andererseits bewegt sich das Pferd nicht mit Kopf und Hals fort, sondern die Bewegung kommt aus den Beinen und dem Rücken. Wenn du versuchst, das Pferd über den Zügel in eine Richtung zu ziehen, bringst du es aus dem Gleichgewicht. Meist wird es dann erst recht nicht in die von dir gewünschte Richtung gehen. Mit den Zügeln gibst du dem Pferd nur die Stellung (wie stark es nach rechts oder links schaut) vor und kontrollierst auf fortgeschrittenerem Niveau die Beizäumung (wie gross der Winkel zwischen Pferdehals und Kopf ist).
Das Schwierige an den Zügelhilfen ist, dass man nicht rückwärts ziehen darf – genau das machen wir Menschen nämlich instinktiv, wenn wir ein Pferd bremsen oder aus Angst festhalten wollen. Die geflügelten Worte «Druck erzeugt Gegendruck» treffen auch hier zu: Wenn du rückwärts annimmst, hält das Pferd dem Druck auf seine Laden entgegen. Das können nur ein paar Gramm mehr sein, als du ziehst, genauso gut, kann dir das Pferd aber auch seinen Kopf zentnerschwer in die Hände legen. Dagegen bist du fast machtlos. Zügelhilfen müssen immer leicht aufwärts wirkende Impulse sein. Drehe deine Hände nicht nach innen ein, um die Zügel anzunehmen, sondern drehe Hand und Unterarm leicht auswärts, so dass deine Fingernägel leicht nach oben zeigen. Dadurch wirkt der Zügelzug vermehrt auf die Maulwinkel des Pferdes. Das veranlasst es dazu, das Maul zu öffnen, zu kauen und den Hals fallen zu lassen – es wird die Zügelhilfen viel eher annehmen. Ausserdem hat die Auswährtdrehung zur Folge, dass deine Ellbogen schön am Körper angelegt bleiben, die Schultern nach hinten kommen und dadurch dein Oberkörper aufgerichtet wird.
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Bei der annehmenden Zügelhilfe fasst du einen oder beide Zügel kürzer. Je nachdem, wie stark die Zügelhilfe sein soll, schliesst du deine Faust oder drehst sie auswärts-aufwärts (wie oben beschrieben). Wenn das Pferd auf die annehmende Zügelhilfe nicht reagiert, darfst du nicht stärker am Zügel ziehen (das Pferd ist eh stärker als du), sondern du gibst zuerst wieder etwas nach um die Zügel dann erneut anzunehmen.
Die annehmende und die nachgebende Zügelhilfe gehören untrennbar zusammen. Nach jeder beidseitig annehmenden Zügelhilfe musst du auch beidseitig nachgeben. Bei einer einseitig annehmenden Zügelhilfe gibst du gleichzeitig mit dem anderen Zügel eine nachgebende Zügelhilfe und musst den angenommenen Zügel nach der Zügelhilfe auch wieder nachgeben. Nachgeben bedeutet nicht, die Zügel schiessen lassen! Nach einer annehmenden Zügelhilfe bedeutet «nachgeben» lediglich, dass du deine Hände wieder in die Grundposition zurücknimmst bzw. löst, wenn du durch Schliessen der Faus angenommen hast. Gibst du ohne vorhergehendes Annehmen nach, geschieht das Nachgeben je nach Intensität durch ein leichtes Öffnen der Zügelfaust und/oder Vorgehen mit der Hand.
Die verwahrende Zügelhilfe ist das Gegenstück zur verwahrenden Schenkelhilfe und kommt bei allen Lektionen vor, bei denen das Pferd gestellt oder gebogen ist. Als «gestellt» bezeichnet man ein Pferd dann, wenn es leicht in seine Bewegungsrichtung schaut. Dabei siehst du seinen inneren Augenbogen schimmern, auf keinen Fall jedoch das ganze Auge oder gar den ganzen Kopf! Stellung findet nur im Genick statt, der restliche Körper des Pferdes bleibt gerade gerichtet. «Gebogen» ist ein Pferd dann, wenn es seinen ganzen Körper vom Genick bis zu den Schweifwirbeln (soweit anatomisch möglich) biegt. Ein gebogenes Pferd ist immer auch gestellt. Um deinem Pferd Stellung zu geben, nimmst du den inneren Zügel an, bis du das Auge des Pferdes schimmern siehst. Wenn du nun mit dem äusseren Zügel nicht nachgibst verwirft sich das Pferd im Genick, d. h. es hält den Kopf schief. Gibst du aber zu weit nach, wird das Pferd den Hals zu sehr biegen und zur Seite des nachgebenden Zügels hin wegdrücken, man sagt: «Es läuft über die Schulter weg». Eine verwahrende Zügelhilfe geben heisst nun, dass du mit dem äusseren Zügel fast genau so viel nachgibst, wie du den inneren Zügel angenommen hast. So ermöglichst du dem Pferd Stellung und Biegung, begrenzt aber auch die äussere Schulter, sodass das Pferd nicht nach aussen wegdrücken kann.
Um eine durchhaltende Zügelhilfe zu geben, behältst du die Hände in der Grundposition und schliesst die Faust. Statt jedoch gleich wieder nachzugeben, hältst du dem Druck des Pferdes auf das Gebiss stand, bis es im Genick nachgibt und sich vom Gebiss abstösst. Es wird dann «leicht in der Hand». Sobald das Pferd das tut, gibst du wieder nach. Aber aufgepasst: Fünf Minuten lang nicht nachgeben ist keine durchhaltende Zügelhilfe mehr! Das Pferd wird eher nachgeben, wenn du nachgibst und erneut eine durchhaltende Zügelhilfe gibst. Druck erzeugt immer Gegendruck! Ebenso wichtig: Bei der durchhaltenden Zügelhilfe musst du das Pferd gleichzeitig vorwärtstreiben. Die Zügel stehen zu lassen allein genügt nicht, denn so verliert das Pferd den Schwung und seine Muskulatur erhält nicht den nötigen Impuls, um sich zu lösen!
Eine durchhaltende Zügelhilfe wird gegeben,
wenn das Pferd gegen den Zügel oder über
dem Zügel geht. Dies setzt aber voraus, dass
das Pferd bereits gelernt hat, auf ein Annehmen des
Zügels nachzugeben. Bei fein gerittenen,
durchlässigen Pferden kann sie auch die
annehmende Zügelhilfe ersetzen. Dann ist sie
jedoch entsprechend fein dosiert.
Denk dran: Wenn das Pferd gegen den Zügel oder
über dem Zügel geht liegt dies oft am
Reiter oder das Pferd hat Schmerzen. In diesem Fall
nützt dir auch eine durchhaltende
Zügelhilfe nichts, solange du das Pferd immer
noch störst.
Eine seitwärtsweisende Zügelhilfe dient der Verdeutlichung der Hilfen. Sie wird vor allem bei jungen Pferden angewandt, oder wenn dem Pferd Seitengänge beigebracht werden. Um eine seitwärtsweisende Zügelhilfe zu geben, führst du deine Hand ein wenig vom Hals weg, so als möchtest du dem Pferd zeigen, wohin es gehen soll. Auch bei der seitwärtsweisenden Zügelhilfe musst du unbedingt immer wieder nachgeben.
Gewichtshilfen sind die wichtigsten Hilfen. Sie beruhen auf der Tatsache, dass das Pferd immer versucht, seinen Schwerpunkt unter den Schwerpunkt des Reiters zu bringen. Mit jeder Verlagerung deines Gewichts bringst du dein Pferd gewissermassen kurzfristig leicht aus dem Gleichgewicht. Es reagieren denn auch nicht alle Pferde gleich stark auf Gewichtshilfen. Breiten Pferden fällt es nicht so schwer sich auch dann noch auszubalancieren, wenn ihr Schwerpunkt nicht ganz mit dem des Reiters übereinstimmt, zierliche Pferde können oft gar nicht anders als sich anzupassen. Beides hat Vor- und Nachteile für den Reiter.
Die einseitig belastende Gewichtshilfe wird bei allen Lektionen mit Stellung oder Biegung gegeben. Für die einseitig belastende Gewichtshilfe verlagerst du dein Gewicht auf die innere Seite. Ein englisch ausgebildetes Pferd wird dem Gewicht dann nachlaufen. Westernpferde hingegen weichen dem Gewicht aus. Wichtig ist bei der einseitig belastenden Gewichtshilfe, dass du nicht in der Hüfte einknickst, denn dann verlagerst du dein Gewicht auf die falsche Seite. Im Grunde genommen reicht es schon aus, dass du dein äusseres Bein zurücknimmst. Dadurch verlagert sich dein Gewicht von selbst nach innen.
Die beideseitig belastende Gewichtshilfe soll das
Pferd dazu bringen, mit den Hinterbeinen weiter
unter den Körper zu treten. Um diese Hilfe zu
geben, spannst du deine Bauch- und die unteren
Rückenmuskeln an. Am einfachsten geht das,
wenn du die Rückenmuskeln ganz einfach
vergisst und nur deine Bauchmuskeln anspannst. Die Rückenmuskeln werden dabei
automatisch auch angespannt. Du kannst das
ausprobieren, indem du eine Hand auf den Bauch und
eine auf dein Kreuz legst. Wenn du jetzt deinen
Bauch fest machst, so als wolltest du dich vor einem Schlag in die Magengrube schützen, spürst du, wie beide
Hände nach aussen gedrückt werden.
Durch diese Bewegung störst du den
Bewegungsablauf deines Pferdes für einen
Moment, weil du nicht mehr mit seinen Bewegungen
mitgehst. Das Pferd wird darauf versuchen, seine
Bewegungen wieder mit den deinen in Einklang zu
bringen.
Die entlastende Gewichtshilfe setzt man ein bei jungen Pferden, während der Lösungsphase, oder wenn einem Pferd das Rückwärtsrichten beigebracht wird. Du neigst dazu deinen Oberkörper je nachdem, wie sehr du entlasten willst, ein paar Zentimeter mehr oder weniger nach vorne, so dass er nicht mehr ganz senkrecht ist. Dein Gesäss bleibt aber im Sattel. Dadurch wird dein Gewicht vermehrt auf die Oberschenkel und Steigbügel verteilt und wirkt somit entlastend.
Merke |
Bei den Gewichtshilfen geht es nicht darum, irgendwie und möglichst stark von oben auf das Pferd herunterzudrücken. Vielmehr musst du zuerst das gemeinsame Gleichgewicht mit dem Pferd finden, um es dann gezielt durch kleine Verschiebungen deines Schwerpunktes lenken zu können. |
Paraden sind «Paraden der Reiterhilfen». Für einen Moment wirkst du mit allen Hilfen fast gleichzeitig auf das Pferd ein. Es gibt zwei Arten von Paraden: halbe und ganze Paraden. Sie unterscheiden sich nicht dadurch, mit welchen Hilfen oder wie stark sie gegeben werden, sondern einzig und allein durch das Ergebnis. Eine halbe Parade bringt das entsprechend ausgebildete Pferd dazu, sein Gleichgewicht etwas nach hinten zu verlagern und die Gelenke der Hinterhand stärker zu beugen. Du gibst eine halbe Parade, um die Aufmerksamkeit des Pferdes zu erregen, das Tempo zu verkürzen (verlangsamen), einen Übergang in eine andere Gangart zu reiten oder die Haltung des Pferdes zu verbessern. Eine ganze Parade besteht aus mehreren halben Paraden, die das Pferd versammeln bis es anhält – egal aus welcher Gangart.
Paraden sind nicht ganz einfach zu reiten. Sie setzen von Reiter und Pferd bereits ein gewisses Können voraus. Verliere also nicht gleich den Mut, wenn es anfangs nicht so recht klappen will. Um eine Parade zu reiten, setzt du dich aufrecht in den Sattel und stellst dir vor, du würdest nach oben und unten grösser werden. Dadurch übst du mehr Druck auf den Pferderücken aus. Du gibst also eine beidseitig belastende Gewichtshilfe. Gleichzeitig umfasst du mit den Beinen den Pferdebauch und verstärkst den Druck. Damit animierst du das Pferd dazu, mit den Hinterbeinen unter seinen Schwerpunkt zu treten. Unmittelbar nach dem Vortreiben hältst du mit den Zügeln noch gerade so viel entgegen wie nötig ist, damit dein Pferd entweder sein Tempo verkürzt, in eine niedrigere Gangart übergeht, aufmerksam wird oder seine Haltung verbessert.
Die Reitlehrerin und Autorin von «Reiten aus der Körpermitte» Sally Swift beschreibt die Parade ungefähr so: Prinzipiell geht es bei einer Parade darum, dass sich das Pferd unter dem Reiter neu ausbalanciert, so dass der Schwerpunkt von Pferd und Reiter übereinstimmen. Man erreicht dies dadurch, dass man zuerst sich selber neu ausbalanciert. Sally Swift nennt das «Zentrieren in die Körpermitte». Dazu musst du erst wissen. wo deine Körpermitte ist: Sie liegt etwas unterhalb des Bauchnabels, tief innen in deinem Rumpf, direkt vor der der Wirbelsäule. Beim Zentrieren atmest du nun tief in den Bauch ein und denkst an deinen Schwerpunkt tief innen in deinem Rumpf. Dein Unterkörper fühlt sich schwer an. Erfühle, ob du gerade und im Gleichgewicht sitzt. Wenn du das nicht tust, dann korrigiere dies. Stell dir nun vor, du seist eine Fichte. Du wächst gerade nach oben (Krone) und nach unten (Wurzeln). Du hast damit genau das getan, was eine Parade ausmacht: Du hast dich neu ausbalanciert und dich aufgerichtet. Das Pferd wird von selbst versuchen, seinen Schwerpunkt unter deinen Schwerpunkt zu bringen. Je nachdem ist es dann noch nötig, die Zügel etwas anzunehmen oder mit den Schenkeln nachzutreiben. Wichtig: Die treibenden Hilfen herrschen immer vor. Die Schenkelhilfe kommt immer etwas vor der Zügelhilfe.
Wenn das Pferd nicht auf die Hilfen hört, gib sie nicht stärker, sondern fange noch mal von vorne an. Eine ganze Parade besteht immer aus mehreren halben Paraden. Du richtest dich und das Pferd also so lange auf, bis ihr zum Stillstand kommt.
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