Klassische
Konditionierung – Operante Konditionierung
– Festigen und
Auslöschen
Ist Strafe sinnvoll? – Gegenkonditionierung – Vorgehen beim Training
Ist Strafe sinnvoll?
Der wesentliche Unterschied zwischen Strafe und negativer Verstärkung liegt im Zeitpunkt, zu der sie eingesetzt wird. Strafe folgt auf ein Verhalten, der unangenehme Reiz bei der negativen Verstärkung geht einem Verhalten voraus. Dem unangenehmen Reiz der negativen Verstärkung kann das Pferd entgehen. Die Strafe kann das Pferd hingegen nicht beeinflussen. Strafe kann sehr wirkungsvoll sein. ABER: Es ist sehr schwierig, sie richtig anzuwenden, weshalb es oft zu einem Missbrauch des Pferdes kommt. Folgende Punkte sind von Bedeutung:
-
Eine Strafe gibt dem Pferd keinen Aufschluss
darüber, was es tun soll. Sie zeigt ihm nur,
was es nicht tun soll. Das Pferd wird sich also
ein Alternativverhalten suchen. Dieses wird aber
unter Umständen noch lange nicht das vom
Menschen erwünschte Verhalten sein. Im
Gegenteil kann es sogar noch weniger
erwünscht sein als das soeben bestrafte.
Stell dir vor, du bist mit dem Auto in einer fremden Stadt unterwegs und an jeder Ecke stehen lauter Einbahnstrasse-Schilder oder Fahrverbote, aber nirgends findest du einen Wegweiser, der dir den richtigen Weg weist. Du hast auch keine Karte, auf der du dich orientieren könntest und die Sprache der Einheimischen beherrschst du nicht. Genauso frustrierend und beängstigend muss das Training für ein Pferd sein, das für alles was es falsch macht, bestraft wird. - Damit eine Strafe effektiv ist, muss wirklich jedes unerwünschte Verhalten bestraft werden.
- Das Pferd kann aber nur verstehen, wofür es bestraft wird, wenn es unmittelbar (innerhalb einer Sekunde!) bestraft wird. Schon nach 1 1/2 Sekunden ist jede Strafe so gut wie nutzlos. Erst noch eine Gerte holen gehen um das Pferd gebührend strafen zu können, funktioniert nicht! Leider wird dieser Fehler sehr oft gemacht. Neulich war ich in einem Reitstall und da ging ein Pferd am Putzplatz rückwärts auf das Nachbarpferd los. Die Reitlehrerin sah es und rief einem Mädchen, welches sogleich hinrannte und eine Gerte in die Hand nahm. Als sie beim Pferd war und ihm eins runterhaute, stand dieses bereits wieder wie erwünscht mit gebührendem Abstand und dem Hinterteil vom anderen Pferd weg da. Das Pferd hat in diesem Fall wohl nur gelernt, dass es sich in Acht nehmen muss, wenn das Mädchen auf es zugerannt kommt. Das Mädchen hätte das Pferd zu dem Zeitpunkt nicht mehr strafen dürfen!
- Es kann also leicht vorkommen, dass das Pferd die Strafe durch klassische Konditionierung mit einer bestimmten Person verbindet. Im besten Fall zeigt es ein bestimmtes Verhalten nur noch in Abwesenheit dieser Person. Ein Pferd merkt schnell, dass es in Abwesenheit von Menschen/einem bestimmten Menschen nicht bestraft wird. Im schlechteren Fall entwickelt das Pferd eine Abneigung gegen oder gar Angst vor einer Person. Dies ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für die Zusammenarbeit von Mensch und Pferd.
- Das Strafmass muss angemessen hoch sein. Die Strafe muss dem Pferd soviel Eindruck machen, dass es sich hüten wird, das bestrafte Verhalten ein zweites Mal zu zeigen. Viele Leute befürchten, dass sie ihrem Pferd ernsthaft weh tun könnten, wenn sie es bestrafen und belassen es bei einem «Rüffel». Eine leichte, nachsichtige Strafe verfehlt jedoch ihre Wirkung. Das Pferd wird nicht besonders beeindruckt sein. Wird es erneut auf dieselbe Weise bestraft, fängt es an, sich an die Strafe zu gewöhnen. So werden immer drastischere und schlussendlich brutale Strafen notwendig werden. Nur wenn schon die erste Strafe hart genug ist, wird man schliesslich mit milderen Strafen auskommen.
- Dennoch darf eine Strafe NIEMALS aus Rache, zur Vergeltung oder weil man wütend ist gegeben werden. Wer straft, muss dabei einen klaren Kopf haben, damit er die Strafe auch richtig einsetzen kann. Wer kann schon emotionslos strafen?
- Strafe setzt das Pferd unter Stress und blockiert damit den Lernprozess.
- Strafe macht sowohl den Anwender als auch den Bestraften tendenziell aggressiver.
- Ein Pferd kann statt mit Aggression auf übermässige oder inkonsequent angewendete Strafe auch mit «erlernter Hilflosigkeit» reagieren. Da es keinen Weg findet, belohnt zu werden, kommt es zum Schluss, dass es keinen Einfluss auf seine Umwelt nehmen kann und gibt auf. Es unternimmt keinen Versuch mehr, irgendetwas zu tun.
- Ängstliche Pferde werden durch Strafe noch ängstlicher. Fatal ist eine Strafe, die das Pferd für ein Verhalten bekommt, dass es aus Furcht zeigt. Die Strafe verstärkt die Furcht noch. Vielen Pferden wurde die Angst vor Schmied und Tierarzt regelrecht antrainiert, weil sie dafür bestraft wurden, dass sie sich aus Angst «angestellt» haben.
Fazit |
Strafe kann in vielen Situation nicht angemessen eingesetzt werden und wird leicht missbraucht. Für die Ausbildung ist sie ungeeignet und sollte nicht angewandt werden um dem Pferd etwas Neues beizubringen. |
Gegenkonditionierung
Eine gute Möglichkeit unerwünschtem
Verhalten zu begegnen ist die Gegenkonditionierung.
Dem Pferd wird ein Verhalten beigebracht, das mit
dem unerwünschten Verhalten völlig
unvereinbar ist. Das antrainierte Verhalten wird
dabei «übertrainiert», das heisst,
das Pferd wird dabei derart darauf fixiert, in
Zusammenhang mit einem bestimmten Reiz das
Verhalten zu zeigen, dass es bereits beim leisesten
Anzeichen des Reizes reagiert. Wichtig ist, dass
das Pferd nur in Abwesenheit der Auslöser
für das Problemverhalten trainiert wird.
Beispiel: Das Pferd schnappt beim Satteln.
(Natürlich müssen Schmerzen und
unsachgemässes Satteln und Gurten
ausgeschlossen sein!) Man könnte dem Pferd nun
beibringen, auf ein bestimmtes Kommando hin den
Kopf nach rechts (satteln von links) zu nehmen.
Dieses Verhalten wird regelmässig und oft
geübt. Das Kommando fürs Kopfwenden wird
jedoch nie beim Satteln gegeben bevor die
Gegenkonditionierung nicht abgeschlossen ist.
Klappt das Kopfwenden auf Kommando gut, führt
man eine kleine Ablenkung hinzu. Das Pferd wird
für die richtige Reaktion immer belohnt. Dies
wiederholt man häufig, wobei die Ablenkungen
immer grösser werden. Nun wird das Pferd nur
noch ab und zu belohnt. (Wie schon gesagt, festigt
das ein Verhalten besonders.) Schliesslich wird das
Pferd den Kopf immer auf Kommando abwenden, selbst
wenn die Ablenkung gross ist. Nun kann man das
Pferd beim Satteln den Kopf abwenden lassen und
macht ihm so das Schnappen unmöglich.
Übrigens: Jedes Pferd sollte aus Sicherheitsgründen darauf übertrainiert werden, auf Stimmkommando stehen zu bleiben. So hast du auch in schwierigen Situationen noch die Kontrolle über das Pferd.
Vorgehen beim Training
Wenn du dem Pferd etwas beibringen willst, solltest du dich im Vorfeld für ein bestimmtes Kommando und spezifische Hilfengebung entscheiden. Nehmen wir als Beispiel, dass du dem Pferd beibringen willst, auf Touchieren mit der Gerte das Bein zu heben. Du gibst dein Kommando und kitzelst das Pferd an der Stelle am Bein, wo es am empfindlichsten auf Berührungen reagiert. Wenn das Pferd das Bein auch nur ein bisschen bewegt, hörst du sofort auf zu touchieren und lobst das Pferd. Das wiederholst du mehrere Male. Sobald das Pferd durch ständiges Belohnen eines Verhaltens begriffen hat, worum es geht, solltest du es nur noch für die besseren Versuche belohnen. Belohnst du weiterhin auch schon jeden Ansatz eines Beinhebens verliert das Pferd schnell das Interesse an der Übung. Spannend wird es erst, wenn es nur noch belohnt wird, wenn es das Bein etwas höher oder länger hebt. (Entscheide dich, was du zu diesem Zeitpunkt belohnen willst. Entweder höher oder länger, aber nicht beides auf einmal!) Das Pferd wird sich bemühen, herauszufinden, was es genau tun muss, damit es an die Belohnung gelangt. Und es wird sich auch anstrengen dafür, wenn es herausgefunden hat, was du genau willst.
Reagiert das Pferd nicht wie erwünscht, kannst du das unerwünschte Verhalten ignorieren, korrigieren oder im Extremfall bestrafen. Angenommen, statt auf touchieren das Bein zu heben, schlägt das Pferd mit dem Schweif. Dieses Verhalten solltest du einfach ignorieren und weitermachen. Übst du hingegen das Stehenbleiben und das Pferd macht einen Schritt vorwärts, solltest du es wieder an den Ausgangspunkt zurückstellen, also korrigieren. Ich persönlich strafe nur, wenn das Pferd etwas «Verbotenes» tut, sprich wenn es in diesem Beispiel etwa gegen mich treten würde.
