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Praktische Tipps zur artgerechten Fütterung

Praktische Tipps zur artgerechten Fütterung

Was zunächst einfach klingt – rund um die Uhr Heu und Kraftfutter (wenn überhaupt) nur in kleinen Portionen – kann sich in der Praxis durchaus als Herausforderung darstellen. Hier einige Tipps zur praktischen Umsetzung.

Bedarfsgerecht füttern

Der grobe Futterbedarf eines Pferdes lässt sich über Faustregeln errechnen. Diese berücksichtigen z.B. das Körpergewicht oder die Trainingsintensität. Für eine exakte Rationsberechnung wendest du dich am besten an einen unabhängigen Futtermittelexperten. Nehmen wir als Beispiel ein Kleinpferd mit 500 Kilogramm Körpergewicht. Mit der Faustformel von 1,5 Kilogramm Heu pro 100 Kilo Körpergewicht sollte das Pferd mindestens 7,5 Kilo Heu pro Tag erhalten. Wenn es ein schwerfuttriges Pferd ist oder intensiv gearbeitet wird, darf es mehr Heu bekommen, aber keinesfalls weniger.

Der Futterbedarf ist aber auch typabhängig. In der Zucht von Nutzpferden und durch natürliche Selektion bei Pferderassen aus Gebieten mit kargem Nahrungsangebot wurde lange Zeit Wert auf Genügsamkeit gelegt. Für heutige mitteleuropäische Verhältnisse mit nährstoffreichem Futter (auch Weidegras) und weniger Bewegung als früher üblich verwerten manche Pferde ihr Futter zu gut: Sie werden dick. Andere Pferde wiederum verwerten das Futter schlecht und sind eher zu dünn.

Denk Dran

Pferde brauchen grundsätzlich kein Kraftfutter. Leichtfuttrigen und bereits zu dicken Pferden muss es nicht unnötig gefüttert werden.

Eine grosse Herausforderung ist es, wenn in Gruppenhaltung Pferde mit sehr verschiedenen Futterbedürfnissen zusammenleben, also leicht- und schwerfuttrige Pferde miteinander. Während die einen zu mager sind, können die anderen bei gleicher Fütterung zu dick werden. Wenn möglich sollte man deshalb den individuellen Futterbedarf bei der Gruppenzusammenstellung berücksichtigen.

Wenn das Geld dafür vorhanden ist, kann in der Gruppenhaltung die computergesteuerte Füttung eine Lösung sein: Jedes Pferd trägt einen Chip auf sich, anhand dessen es der Computer an der Futterstelle erkennt und ihm Zugang zu einer passenden Menge Futter gewährt – oder nicht.

Weniger kostenintensive praktikable Lösungen:

Leichtfuttriges Pferd mit Fressbremse
Vorsicht

Es ist ein Trugschluss, dass Pferde auf abgefressenen Weiden länger grasen dürfen. Gerade kurzgefressenes Gras enthält neben viel Fruktan (mitverantwortlich für Hufrehe) auch viele Giftstoffe, die ernstzunehmende Stoffwechselerkrankungen auslösen können.

Fresspausen vermeiden – Fresszeit verlängern

Längere Fresspausen sollten wegen drohender Magengeschwüre vermieden werden und hungrige Pferde sind unzufriedene Pferde. In Gruppenhaltung führt Hunger zu vermehrten Aggressionen unter den Pferden. Raufutter steht also idealerweise rund um die Uhr zur Verfügung. Am einfachsten stellt man soviel Raufutter zur Verfügung, dass es innerhalb eines Tages gar nicht ausgeht, etwa indem die Pferde Zugang zu Heu in Grossballen haben. Ein Teil des Raufutterbedarfs kann über Stroh gedeckt werden, das entweder dem Heu beigemischt wird oder auch als Einstreu dient.

Nicht immer ist es aber möglich, dem Pferd freien Zugang zu Heu zu bieten. Es kann zum Beispiel zuwenig Platz für eine grosse Heuraufe im Stall sein oder man hat ein leichtfuttriges Pferd, das zu dick wird, wenn es so viel Heu fressen kann, wie es möchte. Fresspausen vermeiden bedeutet für den Menschen dann: häufiger füttern, früh aufstehen und spät zu Bett gehen.

In vielen Ställen wird nur zweimal am Tag Heu gefüttert. Das ist tagsüber ausreichend, wenn die Pferde lange auf die Weide kommen. Aber schon bei halbtägigem Weidegang wird es problematisch: Auch wenn die Heumenge korrekt berechnet wurde, fressen die Pferde ihre morgendliche Portion innert weniger Stunden auf und bringen die übrige Zeit bis zum Weidegang oder zur Abendfütterung mit leerem Magen zu. Die Heuportion von 19 Uhr wiederum ist unter Umständen um 22 Uhr bereits aufgefressen. Bis zur Morgenfütterung vergehen nun gut und gerne 8 Stunden oder mehr. 4 bis maximal 6 Stunden Fresspause sollten es sein! Oft fressen Pferd dann nachts einen Grossteil ihrer Stroheinstreu auf, wenn die Heuration zu klein ist oder zu schnell gefressen wird.

Während man es tagsüber evtl. noch einrichten kann, öfter zu füttern, bleibt die lange Fresspause über Nacht oft ein Problem. Eine Lösung kann ein Heuautomat mit Computersteuerung oder Zeitschaltuhr sein, der dafür sorgt, dass rund um die Uhr portionenweise Heu zur Verfügung steht. Diese Lösung ist aber nicht ganz billig oder erfordert handwerkliches Geschick, wenn man sich selber einen solchen Automaten bauen möchte.

Heuball

In der Praxis bewähren sich deshalb Lösungen, die dafür sorgen, dass die Pferde kleinere Mengen aufs Mal fressen können und somit länger mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt sind. Das kann geschehen, indem man das Heu in mehr oder weniger engmaschigen Netzen anbietet, mit Gitter abdeckt oder in Kunststofftonnen oder -bälle stopft, wo es die Pferde aus Löchern herauszupfen müssen. Dabei ist aber darauf zu achten, dass die Löcher oder Maschen auch nicht zu eng sind, weil die Pferde dann zu wenig Heu fressen können, was zu Frustration, aber auch wiederum zu Magengeschwüren führen kann. Bei Abdeckungen aus Metall und Kunststoff ist es wichtig, hin und wieder ein Auge auf die Pferdezähne zu werfen. Sie können Schaden nehmen, wenn das Pferd sie beim Fressen an der Abdeckung abwetzt.

Denk dran

Die natürliche Hauptbeschäftigung des Pferdes ist Fressen. Es sollte auch in menschlicher Obhut möglichst viel Zeit mit der Aufnahme von Raufutter verbringen können. Das beugt Langeweile, Aggressionen und gesundheitlichen Schäden vor.

Stressfreies Fressen

Jedes Pferd sollte in Ruhe fressen können. Ein stressfreies Umfeld ist sehr wichtig dafür. In Boxenhaltung sollte man deshalb darauf achten, dass sich Boxennachbarn gut vertragen. In Gruppenhaltung müssen neben der harmonischen Gruppenzusammensetzung vor allem das Platzangebot, die Futtermenge, sowie Anzahl und Verteiilung der Futterstellen berücksichtigt werden. Rangniedere Pferde müssen genügend Ausweichmöglichkeiten haben, wo ebenfalls Futter zur Verfügung steht. Idealerweise gibt es mindestens so viele Futterstellen wie Pferde sowie Raumteiler wie Wände oder Hecken, hinter die sich rangniedere Pferde zurückziehen können ohne ständig von den ranghöheren verscheucht zu werden.

Stall mit Raumteiler
Kraftfutter

Kraftfutter sollte man nur so viel wie nötig geben und die Ration auf so viele und so kleine Portionen wie möglich aufteilen. Einem Freizeitpferd reichen, falls es überhaupt welches braucht, 1–2 kleine Becher Kraftfutter pro Tag, für ein Sportpferd sollten es auch nicht mehr als 3 Liter am Tag sein – dafür wird die Heumenge nötigenfalls entsprechend grosszügig bemessen. Soll Kraftfutter gefüttert werden, gibt man besser Hafer oder Gerste (diese nur gequetscht oder gewalzt!) anstelle von Müsli mit allerlei ungesunden Zusatzstoffen.

Wenn man das Kraftfutter nicht aus der Krippe füttert, sondern über das Heu streut, kaut es das Pferd besser. Dadurch wird das Futter besser eingespeichelt, die Nährstoffverwertung ist besser und nicht zuletzt ist das Pferd länger beschäftigt. Es gibt auch Futterspielzeug, welches das Pferd bewegen muss, damit das Kraftfutter portionenweise herausfällt.

Und was ist mit Leckerli?

Für die meisten handelsüblichen Belohnungswürfel gilt leider das Gleiche wie für Müslimischungen: Sie sind für Pferde ungesund und enthalten vieles, was nicht in pferdegerechtes Futter gehört, etwa Weizen und grössere Mengen Melasse.

Brot (wenn überhaupt bitte nur wirklich trockenes, schimmelfreies!), Bananen und Zitrusfrüchte sind auch keine geeigneten Belohnungen. Sie stören die Darmflora und die Früchte sind oft mit Schadstoffen belastet.

2–3 Karotten am Tag sind in Ordnung, kiloweise sollten sie aber nicht verfüttert werden, weil sie Parasitenbefall fördern und viel Zucker enthalten. Ebenfalls erlaubt sind 1-2 Äpfel pro Tag, Hagebutten und als Knabberbeschäftigung ab und zu eine Rote Beete (Rande). Alle Futtermittel müssen absolut schimmel- und sandfrei sein. 

Wichtig

Bei Pferden mit Stoffwechsel-Erkrankungen muss man mit dem Futter sehr auf der Hut sein. Hufrehepferde dürfen bei akuter Rehe weder Brot noch Früchte fressen; Wenn sie vorbei ist, nur in vorsichtigen Mengen.

Übrigens kann man auch ungiftige Blätter als Belohnung füttern. Gut geeignet sind Hasel, Weide, Birke und Laub von ungespritzten Obstbäumen. Giftig sind hingegen unter anderem: Ahorn, Buche, Buchs, Efeu, Eibe, Eiche und Nussbaum.