Natürlich träumt jedes Kind von seinem eigenen Pferd oder Pony – und viele Eltern neigen dazu, diesen Wunsch übereilig zu erfüllen. Man verlässt sich auf die Beteuerungen des Kindes, ein Pferd zu halten sei gar nicht so kompliziert, füttern und ausmisten könne es ja selber und reiten sowieso. Findet sich dann noch ein netter Bauer, der das Pferd zu einem Selbstkostenpreis bei sich aufnimmt, hält das temperamentvolle Traumpony schnell Einzug. Ein paar Monate später lässt das Pferd sich dann plötzlich nicht mehr reiten, beisst nach allem und jedem, das Kind hält sich so weit wie möglich von dem Tier fern und der Bauer spricht nur noch von der Boxenkündigung. Und nicht zuletzt hat das Pferdchen auch noch ein tiefes Loch in den Geldbeutel gefressen. Ein Szenario, das leider nicht aus der Luft gegriffen ist. Wer es sich ersparen will, sollte sich im Vorfeld einige Gedanken machen.
Pferde sind teuer. Auch wenn der Kaufpreis noch vom Ersparten relativ locker bezahlbar war, übersteigen Tierarzt-, Hufschmied- und Einstellkosten häufig auch die finanziellen Mittel von gut verdienenden Familien. Sparversuche machen es in der Regel nur noch schlimmer, denn sie gehen fast immer entweder auf die Gesundheit und das Wohlergehen des Pferdes oder die Sicherheit derer, die mit ihm zu tun haben. Man sollte sicher sein, dass man das Pferd finanziell verkraften kann, und zwar über vielleicht zwanzig Jahre hinweg. Ist dies nicht der Fall, ist es für alle Seiten besser, wenn man eine Alternativlösung zum eigenen Pferd sucht. (Siehe hierzu das Kapitel Reitgelegenheiten)
Natürlich kann man keine Pauschalbeträge angeben, da diese von Ort zu Ort, Pferd zu Pferd und Situation zu Situation variieren. Jedoch sollten Sie folgende Punkte beachten:
Um es gleich vorauszuschicken: Pferdehaltung ist eine Kunst für sich. Auf den ersten Blick sieht zwar alles ganz einfach aus; Heu, Stroh und etwas Kraftfutter, täglich ausmisten und reiten, regelmässig impfen und entwurmen … Leider ist die Sache meistens etwas komplizierter. Jedes Pferd ist ein Individuum und stellt andere Ansprüche an seine Umgebung und an die Menschen, die mit ihm im Kontakt stehen. Es erfordert zum Beispiel schon einen recht hohen Grad an Erfahrung, um erkennen zu können, ob ein Pferd sich in seiner Herde auf der Weide wohl fühlt. Da zählt der gute Wille alleine nicht. Selbst wer gut reiten kann und vielleicht auch Turniere geht, muss nicht zwangsläufig in der Lage sein, ein Pferd richtig zu halten. Man kann sich Wissen über Fütterung, Pflege, Haltung usw. zwar sicher durch Lesen von Fachartikeln aneignen, aber das reicht nicht aus. Und leider lernt man in den meisten Reitschulen auch nichts über diese Dinge. Man sollte deshalb unbedingt vorher schon einige Jahre Erfahrung mit Reitbeteiligungen oder Pflegepferden gesammelt haben.
In der Regel empfiehlt man, dass ein angehender Pferdebesitzer mindestens das bronzene Reitabzeichen besitzen sollte, um alle geforderten Aufgaben meistern zu können. (Das gilt natürlich nur bei der Unterbringung in einem Pensionsstall. Für die Haltung in Eigenregie braucht es erheblich mehr Wissen und Erfahrung).
Trotzdem werden Sie mit dem eigenen Pferd immer wieder mal Hilfe brauchen. Dann sollte mindestens eine erfahrene Person zur Stelle sein, die Ihnen mit Fachwissen und Erfahrung zur Seite steht. Am besten klären Sie schon im Vornherein ab, wem Sie so weit vertrauen und wer bereit ist, Ihnen vielleicht auch mal zu den unmöglichsten Zeiten Hilfestellung zu bieten.
Die reiterlichen Fähigkeiten sind eher zweitrangig. Natürlich sollte das Kind über eine gewisse Grundausbildung verfügen. Als Mindestanforderung könnte gelten, dass es in allen Gangarten longenunabhängig sicher sitzen, lenken und anhalten kann. Aber auch hier gilt das Motto: Je mehr, desto besser. Wichtig ist, dass das Können des Pferdes jenem seines zukünftigen Reiters angepasst ist – also dass man sich für ein Kind unbedingt ein ruhiges, gut ausgebildetes Pferd aussucht. Allerdings sollte man darauf achten, das Pferd nicht zu unterfordern, was bei gut ausgebildeten Pferden mit noch nicht so fortgeschrittenen Reitern schnell geschehen kann. Es ist deshalb anzuraten, eine Reitbeteiligung mit guten Kenntnissen zu suchen, die das Pferd angemessen fördern kann. Das kommt auch Ihrem Kind zugut, denn Pferde, die nur von Anfängern geritten werden, bleiben meist nicht lange rittig. Natürlich sollte das Kind weiterhin regelmässig qualifizierten Reitunterricht nehmen und, zumindest in der Anfangszeit, nicht ohne Beaufsichtigung reiten. Ist die fachgerechte Betreuung gewährleistet, wird das Kind sehr schnell dazulernen.
Sie sollten, ebenso wie Ihr Kind, bereit sein, sich ein Pferdeleben lang fortzubilden und neue Erfahrungen zu sammeln. Jeder Pferdebesitzer macht Fehler – Hauptsache ist, dass man sich Gedanken darüber macht und daraus lernt.
Wie viel Aufwand ein Pferd bereitet, hängt vor allem vom Stall ab, in dem es steht. In einem grossen Offenstall, wo sich das Pferd ausreichend bewegen kann und die Stallbesitzer Rundum-Service anbieten, kann man sich auch mal ein paar Ferientage zusammen mit der Familie erlauben, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Aber wer hat schon das Glück und das Geld, sein Pferd in einen so optimalen Stall stellen zu können? Entweder ist Mithilfe im Stall gefordert oder das Pferd muss täglich bewegt werden, weil es auf einer kleinen Fläche steht und nicht genügend gefordert wird. Wie viel Zeit dies jeweils beansprucht, ist sehr unterschiedlich. Junge, hochblütige Pferde müssen öfters, regelmässiger und länger bewegt werden als ältere Robustponys und wenn der Stallbesitzer nicht bereit ist, die Boxen der Pensionspferde auszumisten, fällt sehr viel mehr Arbeit an. Deshalb sollte man sich vor allem erst mal erkundigen, wer im zukünftigen Stall was wie oft erledigen muss. Allerdings sollte man nicht zu knapp rechnen; es kann immer wieder vorkommen, dass ein Pferd mehr Zeit beansprucht, weil z. B. krank ist oder mehr gefordert werden muss.
Es ist anzuraten, sich nach einer oder zwei Personen umzusehen, die bereit wären, Sie hin und wieder einmal zu vertreten, wenn Sie verhindert sind. Am besten sind dies andere Pferdebesitzer, die über genug Erfahrung verfügen, Ihr Pferd mal ein oder zwei Tage zu versorgen und denen Sie im Gegenzug auch Ihre Hilfe anbieten können.
Man sollte ein paar Jahre in die Zukunft schauen. Dass Ihr Kind heute genügend Zeit hat, bedeutet nicht, dass dies auch noch in vier Jahren der Fall sein wird. Sollte es vorhaben, später eine weiterführende Schule zu besuchen, ist es gut möglich, dass für ein Pferd weder Zeit noch Energie übrig bleiben. In diesem Falle empfiehlt es sich, mit dem eigenen Pferd ein paar Jahre zu warten, bis die Schule abgeschlossen ist.
Zu beachten ist auch, ob Sie oder Ihr Kind überhaupt in der Lage sind, die anfallenden Aufgaben zu erledigen. Wer unter chronischen Rückenschmerzen leidet, kann nicht täglich drei volle Schubkarren über einen vermatschten Hof zerren. Und mit regelmässigem Ausmisten ist jedes Kind überfordert, selbst dann, wenn es diese Arbeit gerne erledigt.
Ein Pferd bedeutet evtl. auch eine psychische Belastung. Kann ihr Kind sich damit abfinden, dass es sich jahrelang sehr regelmässig um sein Pferd wird kümmern müssen, ohne Rücksicht auf andere Interessen? Ist es charakterlich reif für ein Pferd, verliert es nicht allzu schnell die Geduld, kann es in schwierigen Situationen ruhig bleiben?
Selbstüberschätzung – egal ob im zeitlichen, psychischen oder physischen Bereich – geht auf die Kosten des Pferdes. Es ist darauf angewiesen, dass es täglich auf die Weide gebracht, gefüttert und getränkt wird, dass jemand seinen Stall sauber macht. Werden diese Pflichten vernachlässigt, leidet es. Ausserdem macht ein Pferd auch keinen Spass, wenn es nur noch Stress und Albträume verursacht.
Wer also wenig Zeit hat, sollte den Traum vom eigenen Pferd sehr genau überdenken oder zumindest dafür sorgen, dass das Pferd unter dem Zeitmangel seiner Besitzer nicht zu leiden hat (z. B. in Form einer Reitbeteiligung, die das Pferd regelmässig bewegt und Ihnen als Besitzer einen Teil der Arbeit abnimmt).
Es ist häufig so, dass Kinder ihre Hobbys im Laufe des Erwachsenwerdens öfters mal ändern. Gerade Mädchen können sich jahrelang für Pferde begeistern, in der Pubertät dann aber ganz plötzlich das Interesse verlieren. Hat man dann ein eigenes Pferd, ist das schlimm. Pferde sind Gewohnheitstiere und mögen es nicht, aus ihrer vertrauten Umgebung, ihrer Herde herausgerissen zu werden. Ein Besitzerwechsel bedeutet für sie Stress und Trauer, wenn sie sich von ihren gewohnten Stallgenossen trennen müssen. Man sollte einen Verkauf so weit wie möglich umgehen und nicht einfach mal auf gut Glück ein Pferd anschaffen mit dem Hintergedanken: «Wir können es ja wieder verkaufen». Das ist dem Pferd gegenüber absolut verantwortungslos.
Genauso wenig kann man ein Pferd einfach auf die Weide stellen und es da verwahrlosen lassen. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass sich immer jemand findet, der bereit ist, sich um das Pferd zu kümmern und es zu bewegen.
Vor allem sollte man erst mal abklären, wie tiefgehend das Interesse des Kindes wirklich ist. Fährt es auch dann noch freiwillig in den Stall, wenn es regnet und stürmt? Wenn das Pferd ein paar Wochen nicht reitbar ist, vielleicht aufgrund einer Verletzung? Wenn gerade etwas Spannendes im Fernsehen läuft oder die Klassenkameraden gemeinsam etwas unternehmen? Verliert es nicht sofort den Spass und die Geduld, wenn mit dem Pferd Schwierigkeiten auftauchen und es mal nicht so willig läuft wie sonst? Kann es akzeptieren, dass ein Pferd auch mal einen schlechten Tag hat und lieber in Ruhe gelassen werden würde? Erledigt es Arbeiten wie Ausmisten, Füttern oder Tränken mit Freude? Ist es lernwillig? Und können Sie diese Fragen über Jahre hinweg mit «Ja» beantworten?
Dies zu testen, ist allerdings schwierig. Auch hier empfiehlt sich wieder eine Reitbeteiligung, bei der das Kind möglichst in alle Teilgebiete der Pferdehaltung Einblick erlangt und es gezwungen ist, zu den verabredeten Zeiten in den Stall zu fahren und sich auch mit Problemen auseinander zu setzen. Hat es an diesem «fast-eigenen» Pferd Freude (auch nach mehreren Jahren noch), spricht eigentlich nichts gegen den Pferdekauf. Natürlich kann man sich nie absichern, aber in aller Regel kann man sich darauf verlassen, dass ein Kind sich ebenso um das eigene Pferd kümmern wird, wie es das vorher auch beim Pflegepferd getan hat. Klappt das jedoch nicht, sollte man sich nicht auf Beteuerungen wie «Wenn ich erst ein eigenes Pferd habe, mache ich das dann schon!» verlassen.
Sollte es trotzdem passieren, dass das Kind die Lust verliert, sollte man erst mal herausfinden, woran das liegt. Häufig ist Überforderung die Ursache für den plötzlichen Interessensschwund. Ist das Kind vielleicht den reiterlichen Anforderungen nicht mehr gewachsen, wird das Pferd neben der Schule zu viel oder fühlt es sich von den anderen Reitern im Stall gemobbt? Für die meisten Probleme dieser Art lässt sich eine Lösung finden, z. B. ein Reitlehrerwechsel oder eine zuverlässige Reitbeteiligung, die sich regelmässig um das Pferd kümmert.
Nützt das alles nichts, wird man um den Verkauf des Pferdes kaum herumkommen. Aber dies sollte wirklich die allerletzte Lösung sein. Ist man sich nicht ganz sicher, dass das Kind seine Freude an Pferden bis ins Erwachsenenalter bewahren wird, belässt man es besser bei einem Pflegepferd.
Natürlich träumt Ihr Kind davon, sein Pferd ganz für sich alleine zu haben. Dass das nicht möglich ist, sollte inzwischen klar sein. Ein Kind ist weder in der Lage, sein Pferd dauerhaft alleine zu reiten, es fachgerecht zu füttern, zu pflegen und zu versorgen, noch kann es alle anfallenden Arbeiten alleine erledigen, vom finanziellen Bereich mal ganz abgesehen. Das Pferd wird sich also zwangsläufig zum «Familienprojekt» entwickeln. Je nach Einstellmöglichkeit werden die Eltern evtl. im Stall mithelfen müssen, vielleicht sogar dafür sorgen, dass das Pferd bewegt wird. Aber selbst wenn dieses wegfällt, bleiben immer noch Tierarztbesuche, bei denen der volljährige Besitzer anwesend sein muss, zusätzlicher Papierkram, vielleicht auch Turnierbesuche usw. Gibt es Probleme mit dem Pferd, sei es aufgrund einer Krankheit, reiterlicher Schwierigkeiten oder weil aus irgendeinem Grund der Stall gewechselt werden muss, ist Ihr Kind darauf angewiesen, dass Sie sie lösen. Sie müssen also nicht nur Zeit und Geld investieren, sondern sollten wenn möglich über ein gewisses Grundwissen rund um Pferde verfügen. Sind Sie als Eltern bereit, sich dieses anzueignen? Sind sie bereit, Ihr Kind jahrelang mit einem grossen Einsatz von Zeit und Energie zu unterstützen? Und sind Sie auch bereit, die riesige Verantwortung für ein lebendes Wesen zu übernehmen?